Edith - Lyrik für Herz und Seele

Wer ist Edith?

Edith steht für das, worum es auf dieser Seite geht: Editieren (engl. edit), also etwas schreiben, herausgeben, verlegen. Edith ist somit die Personifizierung des Editierens. So bekommt das Ganze ein Gesicht. Herausgeber und Autor von Edith ist Martin Schramme, Wortkünstler, Fotograf, Deutsch-Lehrer, Humanist, Romantiker und Weltverbesserer aus dem Osten Deutschlands.

Edith wünscht unterhaltsames Schmökern. Wer diese Gedichte mit anderen teilen möchte, kann das gerne tun. Bitte übernehmen Sie die Gedichte jedoch komplett mit Autoren- und Ortsangabe und im Idealfall mit einem Link auf diese Seite, denn Urheberrechte zu achten heißt, schöpferische Arbeit zu respektieren. Schreiben kann jeder, Schreiben nicht.

letzte Aktualisierung am 24.04.2023

Himmel

Auf dem göttlichen Azur
ziehen Wolken ihre Spur.
Niemand weiß, wohin sie geh'n.
Doch ist es schön, sie anzuseh'n.

Leicht könnte man hier sicher fragen,
warum sie sich nach oben wagen.
Ganz einfach: Es ist schön zu fliegen
und sich im frischen Wind zu wiegen.

Martin Schramme, 3. Oktober 2022

schlicht genial

Du schillerst so schön rot
und streichelst meine Kehle.
Wer dich nicht mag, ist tot
und hat auch keine Seele.

Wein, mein Guter, Wein voll Leben:
Du bist genial, weil genial schlicht.
Ein Glas mit Dir möcht’ ich erheben,
weil aus dir die Wahrheit spricht.

Dein Körper ist aus edler Seide,
in der Dein heißer Atem lebt
und sanft das leblose Geschmeide
hinauf in lichte Höhen schwebt.

Ballon, du runder, Ballon voll Leben.
Du bist genial, weil genial schlicht.
Im Abendrot mit Dir losschweben.
Das nimmt von mir jedes Gewicht.

Ich kann dich leider niemals sehen,
doch hören kann ich dich ganz gut
und meine Schritte nach dir gehen,
wo du bist, bekomm’ ich Mut.

Musik, du schöne, Musik voll Leben:
Du bist genial, weil genial schlicht.
Mit dir träumen, weinen, beben.
Ein wahrer Zauber aus dir spricht.

Ich kann dich nicht einmal berühren,
doch du strömst durch alle meine Glieder.
Du kannst zu allem mich verführen.
Du hebst mich auf und streckst mich nieder.

Liebe, Sonne, Liebe, mein Erleben.
Du bist genial, weil genial schlicht.
Dich zu spüren, Dich zu geben.
Du bringst in die Seelen Licht.

Du ziehst mich locker aus und an.
Ich kann dich schwerlich ignorieren.
Du forderst alles, nimmst mich ran.
Gegen dich muss ich verlieren.

Lust, du Tier, Lust am Leben.
Du bist genial, weil genial schlicht.
Dir nachgeben und abheben.
Sag mir, was dagegen spricht!

Martin Schramme, 2. Juni 2002, überarbeitet am 8. Dezember 2018

Max und Moritz 2017

Heute noch in vielen Stuben
steht der Vers von jenen Buben,
welche Busch wohl zu gut kannte
und die er Max und Moritz nannte.
Diesen waren demnach sieben
böse Streiche zugeschrieben.
Zuletzt zur Mühle gingen sie
und dann kam das Federvieh.
Hoffnungsvolle Menschen dachten,
dass, was diese Buben machten,
für ewig mahnend paradiert.
Bumms, es wurde doch kopiert!
Nicht jeden konnten all die Lehren
schon zum Besseren bekehren.
So ist es - leider - nicht vorbei
mit der Übeltäterei ...

Martin Schramme, Halle (Saale), 2017, überarbeitet 2018

Gedankenwolken

Wie Wolken am Himmel
treiben meine Gedanken es
mit mir.
Sie nehmen mich
mit
ein Stück
bis sie mich verlassen,
um in anderer Gestalt
wieder aufzutauchen;
gebraucht
und doch immer wieder
zu gebrauchen.
Sie ziehen
vorbei,
bis sie sich
ergießen.

Martin Schramme, Halle (Saale), 2016

Los der Arbeit

Welches Los hast Du gezogen?
Wohin bist Du abgebogen?
Dahin, wo Du immer wolltest
oder wo Du einfach solltest?
Tust Du jetzt, was Du gelernt
oder hast Dich weit entfernt,
bist vom Steckenpferd gestiegen
oder liegst, wo viele liegen?
Weißt Du noch, wo oben ist?
Bist Du noch der, der Du bist?
Hört man Dich noch sowas fragen?
Trägst Du oder wirst getragen?
Hast Du Deinen Platz gefunden?
Wofür hast Du Dich geschunden?
Meistens kann man sicher sagen,
ohne weiter nachzufragen:
Du besitzt ein Arbeitslos
oder bist die Arbeit los.

Martin Schramme, Halle (Saale), Sommer 2018

Der Bildermüller

Ich mahle Bilder
gern schön klein
mit Farbe und Papier.
Ich mahle Bilder
flott und fein;
einfach zum Plaisir.

Ich bin von wahrem Bilder-Adel:
Ich mahle alles ohne Tadel.
Rubens, Dürer und van Gogh
- ich bin der reinste Bilderschock.
Denn Maler bin ich leider nicht,
auch wenn es Euch die Herzen bricht.
Im Malen steckt bei mir als Füller
ein "h", denn ich bin Bilder-Müller.

Martin Schramme, Halle (Saale), 9. Juni 2004
spontan entstandene Wortspielerei (funktioniert am besten vorgelesen)

Tun oder lassen

Tun oder lassen.
Lassen oder fassen.
Fassen oder vergessen.
Vergessen oder essen.
Essen oder ignorieren.
Ignorieren oder studieren.
Studieren oder aufgeben.
Aufgeben oder durchleben.
Durchleben oder zerstören.
Zerstören oder hören.
Hören oder verdrängen.
Verdrängen oder beimengen.
Beimengen oder verprassen.
Tun oder lassen:
Es ist immer falsch!

Martin Schramme, Halle (Saale), 1990er Jahre

Der Vogel

Hoch oben auf einem Berg
über den ziehenden Wolken,
beinahe da, wo die Sonne wohnt,
eine Sicht ringsum und weit,
sitzt ein kleiner Vogel,
ein mildes Lüftchen im Gefieder,
die Äuglein fest geschlossen,
reglos die Stille genießend,
in Gedanken Kreise fliegend,
größer und größer, höher, immer höher,
gerade so, wie er es gestern tat.
Er wird auch heute fliegen.
Die Wärme des neuen Tages lockt.
Er wird sich von der Spitze fallen lassen.
Erst wird der Fahrtwind zausen
und in den Ohren tosen,
bis die Luft ihn auffängt,
er abfedert und nach oben steigt,
um die Flügel schräg zu stellen,
so dass er einen Kreis zeichnet
- das Symbol des Lebens,
Klangbild der Harmonie.
Ewig so fliegen, ewig.
Das ist so schön und kraftvoll.
Im Träumen hat der kleine Vogel
die Flügelchen etwas abgestellt.
Der neue Flug hat fast begonnen.
Da sticht ein Blitz in die Augen,
die sofort erstarrt sind.
Ein Donner samt Echo rollt hinterher.
Fröstelnd zieht das Vögelchen den Kopf ein.
Der Puls trommelt ganz schnell.
Wenn ich jetzt geflogen wäre,
tönt ein fixer Gedanke.
Regen platscht auf das schützende Federdach,
bis viel später ein freundlicher Himmel strahlt
und hoch oben kreist der Vogel.

Martin Schramme, Halle (Saale), 1990er Jahre
inspiriert durch eine Wanderung auf den Habicht (Berg in den Alpen, Austria)

Tanzen

Gesichter reflektieren sich.
Musik weckt Emotionen.
Körper irritieren sich
mit heißen Proportionen.

Langsam wächst der Drang,
sich einfach zu bewegen.
Sanft entfaltet sich der Zwang,
sich weiter zu erregen.

Die Musik erlangt Gewalt.
Die Körper expandieren.
Das Sein verändert die Gestalt,
bis alle Sinne explodieren.

Schweiß rinnt auf der Haut.
Adrenalin betäubt die Geister.
Aus den Tiefen schreit es laut.
Musik macht neue Meister.

Die Tänzer winden sich wie Schlangen.
Ihre Glut erfüllt den Raum
und die Lust, sich zu umfangen.
Sie haben ab in einem Traum.

Nichtig ist die Welt ringsum.
In ihre Aura dringt kein Wort.
Sie schwingen im Delirium
und sind schon lange fort.

Endlos treiben sie die Töne.
Zeit und Raum verlieren ihre Dimension.
Ohne sie bleibt nur das Schöne.
Fantastisch, diese Eruption!

Zwei Körper bilden einen Guss
und wiegen sich im Ganzen.
Geschloss’ne Augen steigern den Genuss,
das Schönste, das Größte: Tanzen!

Martin Schramme, Halle (Saale), 1990er Jahre

Winter in Deutschland

Die Nase friert, die Flocke fällt.
In Deutschland wird es Winter.
Europas Herz, ein weißes Zelt;
verkühlt sind seine Kinder.

In Schnee gehüllt der deutsche Wald
scheint friedlich nur zu träumen.
Der Puls ist weg, die Seele kalt,
nicht nur in Deutschlands Bäumen.

Auto, Geld und Hund und Bier
- Hektik, Stress und Streben -
hier denkt man Ich und selten Wir;
kein Platz mehr ist für wahres Leben.

Ringsum Jammern zwar und Frust.
Ruf nach Änderung, Gestöhne.
Doch statt froher Lebenslust
erstarken wieder rechte Töne.

Ob Arbeitseifer oder Hass:
Extreme zwischen Oder, Rhein.
Ein Blatt im Rasen bringt in Brass.
Nichts Neues aus St. Michelheim.

Kleinkarierte Bürokraten verwalten
Egoismus, Spießertum und Neid.
Was lässt sich hier denn noch gestalten?
Hoch lebe die Bequemlichkeit!

Was and’re lassen soll’n und tun,
das weiß man hier genau.
Ob Russland, Peru und Gabun
- deutsch sein heißt auch oberschlau.

Die Tugend wähnt man hier gepachtet,
auch wenn Moral wie Geist verfällt.
Wer anders denkt, wird gern verachtet.
Der Widerspruch ist abgestellt.

Ob Techno oder Volksmusik
- die Deutschen exerzieren.
Bieder ist die Republik
und liebt reglementieren.

Die Schränke voll, die Bäuche satt.
Besucher sind verdächtig.
Drum gibt man selten, was man hat.
Kleingeist gedeiht hier prächtig.

Was uns gefällt, wird Eigenlob,
was nicht, ist Schuld vom Staat.
Der Judenmord war so gottlob
nur Hitlers schlimme Tat.

Dabei gefiel ihm deutsches Land,
weil’s streng geregelt funktioniert
und fleißige Vollstreckerhand
am liebsten salutiert.

Martin Schramme, Halle (Saale), 1999

Der Spiegel im Fels

Gehöhlter Stein mit stetem Tropfen
- für Ameisen ist das ein Meer.
Mir mundet’s wie das Edelste vom Hopfen.
Mein Spiegelbild kommt hinterher,
wenn die Unruh sich geglättet
und die Sinne wieder klar.
Fest eingerahmt und gut gebettet,
was wird und ist und immer war.
Nun ist so viel das Pfützchen nicht.
Ein kräft’ger Zug ist sein Garaus.
Ich seh noch einmal mein Gesicht!
Genug geseh’n. Ich trink jetzt aus.

Martin Schramme, 21.02.1998 am Petersberg bei Halle (Saale), neu bearbeitet am 9. Februar 2019

Frieden

Leise tuscheln alte Eichen.
Auf einer Wiese Nebelschwaden
zärtlich um die Äste streichen,
feucht sich auf die Blätter laden.

Vögel schweben durch die Luft
- Liebreiz über einem Blütenmeer -,
atmen einen Cocktail Duft.
Ein Reh äugt sanft vom Walde her.

Kristall mäandert durch den Grund,
spiegelt all das Schöne wider,
schroffe Kanten macht es rund
und schlägt alles Trübe nieder.

Von hier die Stadt ist g’rad zwei Stunden,
zwei Stunden fern von Lärm und Dreck
hab ich den Frieden doch gefunden,
hier an diesem unberührten Fleck.

Martin Schramme, Halle (Saale), 1990er Jahre

Leben

Wenn ich nur wüsste, wie es geht,
das Hoffen aufzugeben.
Ich würd’ es tun und ab sofort
einfach sorglos leben.

Martin Schramme, Halle (Saale), 4. April 2016

Die Zeit

Die Zeit kommt nicht,
kommt immer wieder.
Sie baut auf, baut um
und reißt nieder.

Die Zeit will nicht
warten und nicht steh'n.
Durch Veränderung
ist sie zu seh'n.

Die Zeit wird nicht
enden, nicht beginnen.
Die Zeit ist überall
und niemand kann entrinnen.

Martin Schramme, Halle (Saale), 8. Juni 2010, überarbeitet 2023

Im Hamsterrad

Ich bin einfach losgegangen und habe gewartet.
Ich habe gesprochen und kein Wort gesagt.
Ich glaubte nicht und habe doch gebetet.
Ich habe gehofft und das Hoffen verworfen.
Mein Herz schien versteinert, doch es blutete.
Meine Augen waren leer und füllten sich mit Tränen.
Ich habe gesessen und bin auf- und abgegangen.
Ich suchte die Stille und fand keine Ruhe.
Ich war feige und ich war mutig, manchmal.
Ich wünschte den Tag und verwünschte ihn.
Mein Kopf war voller Ideen, aber schwer.
Mein Magen war gierig und ohne Hunger.
Ich nahm mich zusammen und war zerrissen.
Ich ging voran und wich wieder zurück.
Ich wusste, ich will, ohne zu wissen, wie.
Ich schaute in den Spiegel und sah weg.
Mein Weg schien klar, es kam anders.
Meine Heimat ist, wo sie nicht ist.
Der Wahnsinn dieses Lebens macht mich wahnsinnig.
Was ich auch tue, scheint falsch zu sein, ohne Wert.
Ich bin gefangen, in meinem Gefängnis.
Jeder Weg hinaus, führt wieder hinein.
Das Labyrinth kennt kein Ende.
Die Lösung scheint nur die Auflösung zu sein.
Ich will einfach nur leben, ein Stück vom Glück.
Aber das Stück, das ich will, kann ich nicht haben.
Es ist ein ewiges Warten, warten auf Liebe, Nähe.
Die Blume will nicht wachsen in meinem Topf.
Ich verstehe nicht, warum das nicht gelingt.
Menschen treffen mich, Menschen mögen mich,
doch immer fehlt das verfluchte letzte Stück.
Was ich auch tue, scheint vergeblich zu sein.
Laufen im Hamsterrad. Weiter nichts!

Martin Schramme, Halle (Saale), 2014, überarbeitet 2018

Doch passiert

Sieh, die Zeit vergeht im Pfluge!
Und der Mensch hat sich verrannt.
Alles Wollen ist aus der Fuge.
Und die Hoffnung ist verbrannt.
Was Du vergisst, hat nicht vergessen.
Und was Du tust, wird fein notiert.
Mit einem Maß wird nie gemessen.
Was Du nicht denkst, ist doch passiert.

Martin Schramme, Halle (Saale), 2015

Schlange der Hoffnung

Die Hoffnung stellt sich auf zur Schlange,
reicht bis weit zur Tür hinaus.
Sie zu seh’n macht angst und bange.
Wer hier steht, fühlt sich im Aus.
Fahl und leer sind die Gesichter
und die Augen resigniert.
Sorgen schüttet man in Trichter
und sortiert die Sorgen aus.

Martin Schramme, Halle (Saale), 2003

Lied für Halle

Berg und Tal, ein Ort zum Schwärmen.
Schätze sieht der zweite Blick.
Eine Diva mit fünf Türmen
macht sich nur für Kenner schick.

Luther, Händel, Francke, Sitte
- Kunst und Glaube sind vereint.
In Europas gold’ner Mitte
ist viel mehr, als man so meint.

Perlen liegen oft verborgen,
wo nicht jeder sie erkennt.
Doch wir wollen Dir verraten,
dass man diese HAL-LE nennt.

Martin Schramme, Halle (Saale), 2012

Das Wäldchen

Leises Lüftchen, angenehme Stille,
Himmel hoch und weit und blau.
Zwei vereint in ihrem Wille:
auf einer Bank, Mann und Frau.

Seichtes Nass im Frost gefangen.
Sonnenlicht tanzt auf dem Eis.
Er küsst Ihr die kühlen Wangen
lieb und sanft und lang und heiß.

Einfach ist, was Freude macht.
Wäldchen still und klein und licht.
Ihre Hände streicheln sacht
Ihn - sein lächelndes Gesicht.

Martin Schramme, Halle (Saale), 13. Mai 1994

Frühlingsanfang

Davon fließt er, der weiße Traum.
Die Sänger kommen aus dem Süden.
Erstes Grün zeigt jeder Baum
und Bach und Fluss die wüten.

Verfluchtes Grau der kalten Zeit,
als Fröste fegten über’s Dach.
Nur schade um das weiße Kleid.
Es rinnt ins Tal in einem Bach.

Bunt gesäumt sind Weg und Feld.
Der Acker trägt jetzt schwere Erde.
Die Bauern haben ihn bestellt,
auf das bald etwas wachsen werde.

Eine Hasenspur im letzten Schnee
und die Vögel trällern munter.
Im Busch da knackt ein junges Reh.
Es ist ein wahres Wunder.

Aus tiefem Schlaf erwacht sie nun
der Mutter Erd’ Natur.
Im Gras da hockt ein Osterhuhn.
Vom Winterschlaf bleibt keine Spur.

Martin Schramme (13), Halle-Neustadt, 8. April 1984, überarbeitet am 9. Fabruar 2019

Der Winter

Ein kalter Hauch streift durch das Land
und weiße Sternchen tanzen munter.
Ein dichtes, graues Nebelband
senkt sich ins Tal hinunter.

Die Häuser sind ganz tief verschneit.
Der See ist zugefroren.
Ein jeder friert um diese Zeit,
besonders an den Ohren.

Ein weißer Mann steht da beim Haus
und eine Möhre ziert den Kopf.
Schwarz sehen seine Augen aus
und oben auf ihm sitzt ein Topf.

Martin Schramme, Halle-Neustadt, 10. April 1984, überarbeitet am 9. Februar 2019

Der Chef hatte eingeladen

Der Chef hatte eingeladen:
Es gab so viel zu fragen,
doch dann wollte keiner was sagen.
(Was ich denke, wird nicht verraten.)

Der Chef ermunterte, frei zu sprechen:
"Mir kann man alles sagen."
Doch keiner stellte irgendwelche Fragen.
(Offenheit kann sich auch rächen.)

Der Chef versprach eine Amnestie:
"Niemand wird gerügt für seine Fragen.
Hat vielleicht doch jemand was zu sagen?
Wir haben doch Freiheit und Demokratie."

Da wagte doch jemand aufzusteh’n.
Er sah in den Gesichtern die Fragen
und versuchte, was er sah, zu sagen.
Der Chef gab zu: "Das ist einzuseh’n."

Man notierte Punkte, in der Summe zehn.
Der Chef bat, sie mit zu gestalten.
Doch es blieb alles beim Alten.
Der Chef lud ein. Nur einer musste geh’n.

Martin Schramme, Halle (Saale), 3. August 2002, überarbeitet am 8. Dezember 2018

Wahrheit

Was kann man glauben
und so entstauben,
dass der falsche Schein verweht
und das Reine aufersteht?

Sieh, da sind Interessen!
Die Einen wollen vergessen;
und sagen nur, was ihnen nutzt.
Die Wahrheit wird zurechtgestutzt.

Jede Zeit hat ihren Blick
und schaut entsprechend auch zurück.
So bleibt stets was im Dunkeln liegen:
Propaganda pur und Balkenbiegen.

Martin Schramme, Halle (Saale), 10. November 2002, überarbeitet am 5. Mai 2022


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